Was ist eigentlich mit "Zölibat" gemeint?

Der Begriff "Zölibat" meint zunächst einmal ganz allgemein die (frei gewählte) Ehelosigkeit. Zu dieser Lebensform kann sich jeder Mensch entschließen, der dies als den für sich richtigen und stimmigen Weg erkannt hat.
Erst, seitdem die Ehelosigkeit für Priester verpflichtend eingeführt worden war (1139), erlebte die Bedeutung dieses Begriffes eine Verschiebung und wird bis heute im Bewusstsein vieler Menschen vornehmlich mit dieser kirchlichen Vorschrift verbunden - die freiwillige Ehelosigkeit bleibt dabei außen vor. Hier gilt es also zu beachten, dass "Ehelosigkeit" und "Zölibat" synonyme Begriffe sind, es also neben dem Zölibatsgesetz in der Kirche auch einen freiwilligen Zölibat gibt.

Wann wurde das Zölibatsgesetz in der Kirche eingeführt?

Das Zölibatsgesetz, also die Verpflichtung aller Priester zur Ehelosigkeit, wurde durch das II. Laterankonzil 1139 für die gesamte katholische Kirche verkündet und in Kraft gesetzt. Damals wurden Priester, die verheiratet waren oder in einer unehelichen Beziehung lebten, ihres Amtes und ihrer Pfründe enthoben, gleichzeitig wurde die Priesterweihe zu einem trennenden Ehehindernis im Rechtsverständnis der Kirche. Der/Das (beide Formen sind möglich) Zölibat ist seither eine unabdingbare Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Priesterweihe.

Warum wurde das Zölibat eingeführt und warum hält die Kirche bis heute daran fest?

Die wahren Motive für die Einführung des Zölibatsgesetzes müssen im Bereich der Macht- und Besitzsicherung gesucht werden. Im 12. Jahrhundert hatte die Kirche den Zenit ihrer Machtfülle erreicht und in Folge der (gefälschten) "Konstantinischen Schenkung" enormen Besitz angehäuft. Insbesondere letzteren wollte sie sichern - und da war der Verlust durch Vererbung von priesterlichen Pfründen an Nachkommen, die nicht im Dienste der Kirche standen, eine ständige Gefahr.
Dass die Kirche bis heute am Pflichtzölibat festhält, wird mit verschiedenen Aspekten begründet.
1) Freie Verfügbarkeit: Ein unverheirateter Priester muss keine Rücksicht auf eine Familie nehmen und kann sein Christsein bis hin zur letzten Konsequenz leben - er ist weder Frau noch Kindern gegenüber verantwortlich und kann sich so leichter einem Martyrium unterwerfen. Auch in seinem Einsatz für die Gemeinde kann ein zölibatär lebender Priester seine Energien ganz und gar den Menschen widmen und muss keine Zeit für eine mit dieser konkurrierenden Familie reservieren. Ferner kann der Bischof ihn ohne Rücksicht auf familiäre Bindungen dorthin versetzen, wo er ihn braucht.
Hier wird übersehen, dass ein Priester, der seine Sexualität nicht auf die genuine Weise ausleben darf, auch Energien darauf verwenden muss, diese zu "bewältigen" und den "Frust der Nichterfüllung" auszuhalten. Die Einsamkeit als seine Lebenssituation erfordert ebenfalls Kraft, um nicht psychisch "vor die Hunde zu gehen" (trotzdem suchen sich viele Priester Ersatzbefriedigungen und Fluchtpunkte, um ihre Situation zu meistern). Auch wenn die zu bewältigende Sexualität und die Einsamkeit bei jedem Priester unterschiedlich stark ausgeprägt sind, so betreffen sie doch die allermeisten von ihnen.
2) Zeichenhaftigkeit: Die Ehelosigkeit der Priester wird als Zeichen verstanden, mit dem sie auf die Liebe zu Gott und deren eigentliche Erfüllung im Himmelreich hinweisen sollen.
Einmal abgesehen davon, dass diesem Motiv ein starker Geruch von Weltflucht anhaftet, wird dieses Zeichen auch von kaum jemandem mehr verstanden. Das jetzige, irdische Leben wird herabgewürdigt und der Verweis auf den Himmel, wo das eigentliche Leben und die Erfüllung unserer Sehnsucht nach Liebe zu finden ist, hat einmal mehr etwas von Vertröstung und Beschwichtigung als Taktik der Kirche zur Dominanz über die Menschen. Wer das hiesige irdische Leben ernst nimmt, für den sind weder Ehe noch Ehelosigkeit "Zeichen", sondern gelebte Realität.

Gibt es eine biblische Begründung für das Zölibatsgesetz?

Um es ganz klar vorweg zu sagen: Nein! Die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester kann nicht aus der Bibel abgeleitet werden, denn Jesus und Paulus sprechen nur von der freiwilligen Ehelosigkeit (Mt 19,12; 1 Kor 7,7.25-38). Bei Paulus kommt hinzu, dass er seine Gedanken im Horizont seiner Erwartung einer nahen Wiederkunft Jesu (Parusie) formulierte - eine Erwartung, die ein Zeitfenster von maximal 20 - 25 Jahren vorsah. Doch selbst unter diesem Aspekt verpflichtet er niemanden zur Ehelosigkeit, sie ist lediglich ein Rat zur Vorbereitung auf die Wiederkunft Jesu.

Wo steht das Zölibatsgesetz im Kirchenrecht?

Canon 277 §1 CIC (= Codex Iuris Canonici) formuliert die Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit:

"Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können."

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Zölibat und Missbrauch?

Eine pädophile Veranlagung eines Menschen bildet sich in der Regel durch negative Kindheitserfahrungen bereits in der Jugendzeit aus und nicht erst in der Zeit nach der Priesterweihe. Als Ursache für den Missbrauch von Kindern durch Priester kommt das Zölibatsgesetz also nicht in Frage. Allerdings begünstigt das Amt des Priesters und seine soziale Stellung die Ausübung des Missbrauchs, weil ein pädophiler Priester leicht in Kontakt zu potentiellen Opfern kommt und ihm von seiten der Gemeinde ein großer Vertrauensvorschuß entgegengebracht wird. Das Singleleben eines Priesters bietet dann zudem einen Raum, in dem eine mißbräuchliche Begegnung zwischen Täter und Opfer in seiner Wohnung ohne Kontrolle stattfinden kann.

Wie viele Priester leben in heimlichen Beziehungen?

Da es aufgrund des Charakters der Heimlichkeit keine Statistiken darüber gibt, können lediglich Erfahrungswerte zu Schätzungen hochgerechnet werden. So käme man bei einer vorsichtigen Kalkulation auf etwa 33 % aller Priester, die in heimlichen heterosexuellen Beziehungen leben, weitere ca. 33 % leben in homosexuellen Beziehungen und die übrigen leben den Zölibat so, wie es die Kirche fordert. Die Anzahl derjenigen, die das Zölibat einhalten liegt demnach deutlich unter 50 % - und das entspricht der Erfahrung, die wir als VkPF in den letzten 30 Jahren von vielen ratsuchenden Priestern auch zurückgemeldet bekommen haben.
Auf eine andere Formel gebracht könnte man auch sagen: Es leben weniger Priester den Zölibat, als den Bischöfen lieb ist, und mehr, als die BILD-Zeitung mutmaßt.

Leistet die Kirche Unterhaltszahlungen für Kinder, die von Priestern gezeugt wurden?

Seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es in den Bistumsetats einen eigenen Posten für Alimentenzahlungen gibt. Zumindest zwischendurch muss es sie gegeben haben, da dies hinter vorgehaltener Hand und vereinzelt von Mitarbeitern in Ordinariaten/Generalvikariaten bestätigt wurde - es war dann davon die Rede, dass bis zu 2 oder 3 Kinder (hier gab/gibt es Unterschiede zwischen den Bistümern) eines Priesters alimentiert würden. Ob es in einigen Bistümern immer noch solche "Sonderfonds" gibt, ist sehr schwer nachvollziehbar, da sich die katholische Kirche hier in eisernes Schweigen hüllt.

Allerdings wird seit geraumer Zeit von den Bistümern immer stärker betont, dass die Priester für die von ihnen gezeugten Kinder selbst und allein verantwortlich sind - und das schließe die Alimentenzahlung ein, die demzufolge nicht durch das Bistum, sondern vom jeweiligen Priester getätigt werden müsse. Es kann also gut sein, dass hier eine Verlagerung der Zuständigkeit stattgefunden hat: weg von den Bistümern hin zum betroffenen Priestervater. Aber mangels Transparenz seitens der Kirche kann diese Frage nicht wirklich fundiert und empirisch gesichert beantwortet werden.